1 Erna strickt nicht, sie häkelt. Die Strickströcke benutzt sie nur, weil sie die mal in der Zeitung gelesen hatte und witzig fand. Erna häkelt um ihr Leben. Sie besteht ja unterhalb ihres verwesten Schädels aus nichts als aus Maschen, aus Reihe um Reihe emsig ineinander verhäkelten Fäden. Die verschleißen im Laufe der Zeit. Seit Erna zurückdenken kann hat sie sich abgenutzt: an den Säumen, wo sie schleift oder am Kragen, ihrer empfindlichsten Stelle, der ihren ausfransenden Hals so hübsch schmückt, an dem sie modert. Um ein Aufribbeln nicht zu riskieren, muss Erna beständig an sich flicken. So ist sie langsam zu einer völlig selbstbezogenen Abnutzungserscheinung geworden. Ihr Lebensglück hat sie, statt einem Gatten, ihren Strickströcken anseite gegeben, denn kein Mensch will eine Schädel-Erna, die beständig an ihren Maschen flickt. Nur der Edel Werner hält es noch mit ihr aus. Darüber ist Schädel Erna sehr alt geworden. Jetzt hängt ihr Kopf tief zwischen den Schultern, und die letzten Überbleibsel faltigen Fleisches baumeln in ihrem müden Gesicht. Mühsam hakelt sie nach den Fäden.

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