Schädel Erna terrorisiert die grund (freilich!) heile Demokratieordnung
oder Abnutzungserscheinungen heischen um Aufmerksamkeit.
Schädel Erna saß mit ihrem Strickstrock1 zu Kopfe des Küchentisches und
häkelte. An ihrer rechten stand das genialfarbene Kolonialsofa, das sie
jüngst unter anderen idealen Wohnzimmern in einem Möbel-Hübner
Flugblatt entdeckt hatte, und des Sprachwitzes wegen und ihrer
elegischen Deutschlandstimmung Nahrung zu geben, in moderner Manier
ausgeschnitten, und mit Tesafilm an die weiße Wand ihrer Wohnküche
geheftet hatte.
Dort hatte sich nun schon seit morgens um sechs ein flüchtiger Freund
von Edel-Werner breit gemacht, ein unangenehmer aber langweiliger Urst,
und wartete auf den Edel-Werner, der aber wie immer abwesend war.
Deshalb freute Erna sich über die Abwechslung, die sich einstellte, als
vor fünf Minuten Frau Leutheusser-Schnarrenberger klingelte und um
Gehör bat.
Nun war der Tee serviert, Frau -Schnarrenberger saß ideal und
Schädelerna neigte ihren entfleischten Kopf aufmerksam dem Gaste zu,
die gerade anhob, zu erzählen. Da griff der flüchtige Freund plötzlich
in die Hinterntasche, schob Frau Leutheusser- eine schon enthauptete
Eule in den Mund, zückte trickflink (klick!) sein Reibradbic und gab
Gas.
Die Lunte brannte, Frau Schnarrenberger krampfte, rang hastig nach
Luft, und hyperventilierte. Sie sog das Gasgemisch bis die Eule
knisterte, inhalierte tief und schnappte nach mehr. Sie war jetzt voll
von und Gemisch und Angst. Ein weiterer Krampf, und ihre Gesichtszüge
erstarrten verzerrt, alle Farbe schwand ihren Wangen. "Tot?", erschrak
der Freund und verflüchtigte sich. Schädel Erna seuftzte, legte ihre
Strickströcke auf den Küchentisch, stützte sich auf ihren Knien ab und
hangelte nach der Flasche Arak auf dem Klavier.
" Edel Werner2
, wo bist du?!".
Die Schnarrenberger wurde von einem scharfen Arrakkribbeln in ihrer
Nase geweckt.
Sie nahm einige Schlucke und sah wieder klar, direkt auf eine groteske
Szenerie, die, unter Beteiligung mehrer bekannter Persönlichkeiten, vor
einem Klangkörper, der mit Tesafilm an die geschwammtechnikte Wand
geheftet war, geradewegs auf ihren Höhepunkt zusteuerte.
Eigentlich wollte sie doch nur herausfinden, wer sich hinter der Person
verbarg, die sich seit geraumer Zeit und ohne Autorisierung unter ihrem
eigenen Namen, Leutheuser-Schnarrenberger, am Telefon meldete. Die
freundlichen Hinweise, die sie zuletzt dem großen Lauschangriff
verdanken hatte, ließen vermuten, dass in der Absurde-Kacke-Straße die
Urheber des Telefon-Terrors zu suchen waren. Die grundsetzlich freische
Ordnung darf niemals gestört werden! Diese Worte hatte sich die
Justizministerin a. D. in der Tram zurechtgelegt, um ihre Macht hier
auszuspielen. Aber nun saß sie bekifft auf der deutschen Vergangenheit,
die mit Tesafilm an die Wand geheftet war, zusammen mit einer senilen
Abnutzungserscheinung, der Senatorin von New-York und einer
Modedesignerin aus Hamburg-Pöseldorf3
.
Das Telefon klingelte. Schädel-Erna unterbrach ihr Klavierspiel und
ging nach dem Hörer.
"Schmidt-Jortzig?"